Ritterbecher - Zunft zum Grimmen Löwen, Diessenhofen

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Ritterbecher

Zunftschätze

Dienstags den 4. Februar 1862, als die Gesellschaft ihr gewöhnliches Jahresessen hatte, stellte Herr Ortsvorsteher Ritter, auf den Wunsch einiger Mitglieder, zwei an eidgenössischen Freischiessen errungene, silberne Becher auf. Dieselben wurden gefüllt und kreisten, was die Gesellschaft in höchst mutwillige Stimmung versetzt, so dass von vielen Seiten in den Eigentümer gedrungen wurde, der Gesellschaft einen der Becher zu vergeben, wozu sich dann Herr Ritter auch bereden liess, und die Gesellschaft erkor sich denjenigen vom achtzehnhundertsiebenundfünfziger Berner Freischiessen. Der Jubel und die frohe Laune stiegen beim steten Kreisen des Bechers aufs höchste und wurden sogar von der alten, halbtauben Köchin, Jungfrau Marianne Schmid, in der Küche gehört, worauf dieselbe anfragen liess, ob nicht auch sie, in Berücksichtigung ihrer an den Jahresessen der Gesellschaft seit 25 Jahren geleisteten Dienste, aus dem Becher trinken dürfe, was ihr gerne gestattet wurde, worauf sie dann den Becher auf das Wohlsein der ganzen Gesellschaft leerte. Ein herum gebotener Teller enthielt Fr. 20.-, welche der Marianne Schmid übergeben wurden. Und wiederum wurde der Becher gefüllt und bei Gesang und launiger Unterhaltung beschlossen, es solle derselbe von nun an bis in die weitesten Zeiten den Namen "Ritterbecher" tragen.
Die Gesellschaft liess nun auf die eine Seite des Bechers das Ritterwappen, auf die andere einen aufrecht stehenden Löwen gravieren, mit den Inschriften "Adolf Ritter der Gesellschaft zum grimmen Löwen am 2. Februar 1862." Als nun die Gesellschaft am 10. Februar 1863 ihr Jahresfest feierte, machte der Becher in seiner neuen Gestalt bei Gesang und Toasten mit Ehrenwein gefüllt die Runde. Von allen Seiten wurde dem Geber Dank gespendet. Herr Pfarrer Zehnder trug zu grösster Freude der ganzen Gesellschaft folgendes von ihm verfasstes Gedicht vor:

Der Ritterbecher
Es liegt ein Städtchen wunderschön am hellen frischen Rhein und spiegelt sich in seiner Hut beim goldnen Sonnenschein.
Drin wird geschafft von früh bis spät von hundert fleissigen Händen. Und Feld und Au erstrecken sich ringsum an allen Enden.
Es stand ein Haus in dieser Stadt, genannt zum grimmen Leuen. Allein, der Leu, der drin gewohnt, tat niemand hart bedräuen:
Es war der Männer edle Zunft, die nach der Arbeit Stunden sich dort beim Glas und beim Gespräch in Freundschaft wohl verbunden.
Doch endlich wars der Zunft zu eng in ihren alten Mauern verlassen wurd der grimme Leu, nichts kann ja ewig dauern
und draussen auf der grünen Flur liess sie ein Haus sich bauen auf das im Sommer dichtbelaubt die Bäume nieder schauen.
Hier sassen einst am Fasnachtstag die Männer froh beisammen, viel Bürger die von altem Blut aus grauer Vorzeit stammen,
die Wepfer und die Wegelin, die Hanhart, Benker, Brunner und andre gute Namen mehr, auch fremde Gäste drunter
und als sie hier beim frohen Mahl des Guten viel genossen und allgemach beim edlen Trunk die Herzen sich erschlossen
da trat ein Rittersmann herfür, gewandt in vielen Dingen um einen Schatz von edler Art der alten Zunft zu bringen,
der Rittersmann vom Lindenhof der bricht von jedem Strausse den er in Frieden mitgemacht den Siegespreis nach Hause.
So hat er auch in seinem Schatz zwei silberne Pokale und stellt sie blinkend auf den Tisch beim frohen Fasnachtsmahle.
Sie gehn gefüllt mit edlem Trunk alsbald von Hand zu Hand und wer daraus einen Tropfen trank hat alsobald erkannt:
Schön ist ein silberner Pokal, schön funkelt drin der Wein, doch wäre er unserer edlen Zunft, noch schöner würd er sein!
Kaum hat der Herr vom Lindenhof den leisen Wunsch vernommen, ist über ihn mit Allgewalt ein edler Geist gekommen.
Er stiftet frisch der edlen Zunft den silbernen Pokal, damit er glänze für und für an ihrem Ehrenmahl.
Wie hat ein solcher Edelmuth die Zünftigen gerühret! Wie haben sie den Becher nun voll Freud zum Mund geführet!
Wie hat er bald den edlen Geist in jedes Herz gegossen! Wie ist alsbald der Rede Gold in reichem Strom geflossen!
Und warmer Dank und Lebehoch wurd jetzt aus aller Mund dem Rittersmann vom Lindenhofe für seine Gabe kund.
Ein Denkmal hat er sich gesetzt für alle künftgen Zeiten das lange noch der edlen Zunft soll Freud und Wonn bereiten.
So oft der Ritterbecher nun herumgeht in der Runde, verbinde er der Männer Herz zum festen Freundschaftsbunde,
so oft des Weines Purpur glänzt im silbernen Pokal, so würze Geist und Fröhlichkeit der Brüder festlich Mahl!
Der Sinn, durch den der Rittersmann so wunderbar ward angetan, dass er des Kampfes Siegespreis aufopferte im Brüderkreis,
der Liebessinn, getreu und bieder der jederzeit zum Wohle der Brüder das eigne Gut weiss freizugeben,
er soll in unserm Kreise leben!
Weil aber Wort und Vers und Lied verhallen in die Weite, es sei denn dass die schnelle That das gute Wort begleite
und weil dort an des Gotthard Fuss, verschüttet von Lawinen, seit kurzem eines Dörfleins Glück liegt traurig in Ruinen,
so lasst uns unsre Scherflein senden den Brüdern im Tessin. Zum Zeichen dass auch uns belebe der Liebe Brudersinn.

Die sogleich vorgenommene Kollekte betrug Fr 77.-

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